Ich sitze zusammen mit etwa 200 Personen in einem Raum. Vorne auf der Leinwand läuft ein Medley mit Liedern über 3000 Jahre Gotteslob. Wir als Zuhörer spüren etwas von der Kraft, die durch die Musik und ihre Texte ausgeht.
Danach kommt ein Mann auf die Bühne. Er wirkt etwas geknickt. Da ich mit dem Ablauf vertraut bin, weiß ich, dass eigentlich an dieser Stelle das Einführungsvideo zum nächsten Vortrag folgen soll. Die Veranstalter weichen also davon ab. Es muss etwas passiert sein, was eine Planänderung erforderte.
Sichtlich betroffen verkündet der Kongressveranstalter, dass der Kongress nun abgebrochen wird. Ein Referent ist positiv auf Covid 19 getestet worden. Er war zwar wegen der Erkrankung nicht zum Kongress angereist, hatte sich aber wenige Tage vorher mit einigen Verantwortlichen und anderen Referenten für Absprachen getroffen.
Etwas benommen sitze ich auf meinem Platz und kann noch nicht begreifen, dass jetzt der Kongress zu Ende ist. Ich war doch so begeistert, dass es uns gelungen war, mit vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern eine Übertragung dieses dreitätigen Kongresses von Karlsruhe nach Ostfriesland zu organisieren. Viele Monate vorher hatte sich eine Initiative gegründet, die ein kräftiger Motor für diese Aktion war. Ich hatte mich so lange gefreut auf die guten Impulse. Und nun war nach 1 ½ Tagen plötzlich alles vorbei.
Als Notprogramm ließen wir noch einen Vortrag aus der Konserve laufen. Ein sehr guter Vortrag vom letzten Kongress zwei Jahre zuvor in Dortmund, bei dem ich mit 10.000 anderen live dabei war. Aber ich konnte nicht sitzen bleiben und weiter zuschauen. Die Situation wühlte mich auf. Ich stand auf und so besprachen wir uns mit den anderen Verantwortlichen, wie wir nun verfahren.
Diese Geschichte ist jetzt genau ein Jahr her. Es war der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass Corona da ist. In meiner Welt. Mit ganz konkreten Konsequenzen. Bis dahin war es irgendwie noch weit weg. Zwar erinnere ich mich auch, dass ich vier Wochen vorher damit angefangen hatte, deutlich weniger Hände zu schütteln. Aber nun hatte sich doch etwas geändert.
Zwei Tage später verzichtete ich aufgrund der Ereignisse auf das Austeilen des Abendmahls im Gottesdienst. Am Nachmittag saß ich bei der Amtseinführung eines Kollegen in einer voll besetzten Kirche. Anschließend gab es noch einen Empfang im Gemeindehaus mit Tee und Kuchen. Dicht an dicht gedrängt waren die Leute an Tischen platziert. Einige aßen den Kuchen an Stehtischen.
Solche Szenen wirken rückblickend wie aus einer lange vergangenen Zeit.
Zwei Wochen später improvisierte ich dann meinen ersten Online-Gottesdienst.
Ja, es hat sich vieles so krass verändert. Wir leben immer noch unter dem Einfluss der Pandemie. Wir wissen nicht, was in ein oder zwei Wochen sein wird, geschweige denn in ein bis zwei Monaten oder gar Jahren.
Doch ich lebe weiter in der Hoffnung, dass es Zukunft gibt. Vielleicht wird sie anders sein, als wir es vor wenigen Jahren noch gedacht haben. Aber ich glaube daran, dass es immer Zukunft und Hoffnung gibt, so wie es der Prophet Jeremia in Kapitel 29, Vers 11 sagt: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.