Wie die Zeit vergeht

Es ist viel passiert in den letzten 20 Jahren. Genau so lange ist es nun her, seit ich in Dortmund in einem Gottesdienst in meine pastoralen Aufgaben eingeführt wurde. Nur wenige Wochen zuvor hatte ich mein Theologiestudium abgeschlossen.
Für den Anfang kam es mir entgegen, in einer verhältnismäßig kleinen Gemeinde zu arbeiten. So konnte ich in einem überschaubaren Rahmen meine ersten Erfahrungen als Hauptamtlicher sammeln. Sehr geholfen haben mir dabei die wöchentlichen Treffen mit dem Gemeindeleiter. Danke Wilhelm!
Die Zusammenarbeit funktionierte und wir waren so zufrieden, dass wir noch länger als die zunächst angesetzten zwei Jahre geblieben sind.

Nach insgesamt fünf Jahren im Ruhrgebiet sind wir dann an den Neckar gezogen. Ich übernahm dort die Stelle des Gemeinschaftspastors im Bezirk Neckartal-Odenwald. Unsere Perspektive war, zehn Jahre zu bleiben. Ich sah großes Potenzial. Leider haben sich die Dinge anders entwickelt. Sehr schmerzhaft war, dass sich in der Schwerpunkt-Gemeinde Probleme auftaten, die eine lange Geschichte hatten und sich nun verdichteten. Am liebsten hätte ich schon nach zwei Jahren die Reißleine gezogen, ließ mich aber noch für ein weiteres Jahr überreden.

Danach ging es zurück in den hohen Norden – in die Nähe des Ortes, in dem ich meine Ausbildung zum Koch abgeschlossen hatte.
Witzigerweise hatte ich während des Studiums mein Gemeindepraktikum in der Gemeinde absolviert, die mich nun anstellte. Nach dem Praktikum wusste ich, was ich nicht wollte. Inzwischen hatte sich dort aber so manches geändert. Also zogen wir nach Ostfriesland und blieben insgesamt zehn Jahre dort. Das letzte Jahr davon war ich allerdings nicht mehr in der Gemeinde tätig, sondern machte noch eine Zusatzausbildung zum Coach, schrieb ein Buch und begab mich auf Stellensuche.

Seit zwei Jahren sind wir jetzt schon in Darmstadt. Ich arbeite wieder und weiter als Pastor.

Nach wie vor bin ich der Ansicht, in einem der besten Berufe aktiv zu sein. Ich fühle mich oft beschenkt, wenn ich mit Menschen reden kann und sie mir ihre Geschichten erzählen. Danke für dieses Vertrauen.
Natürlich gibt es immer viel zu tun. Man wird nie fertig, weil man immer noch mehr machen könnte. Auf der anderen Seite kann ich mir Freiräume nehmen, die andere Berufstätige nicht haben.
Ich kann in meiner Arbeitszeit in der Bibel lesen. Was für ein Privileg.
Ich habe die Möglichkeit, Menschen zu prägen; ihnen etwas von der besten Botschaft überhaupt weiter zu geben.
Ich kann verschiedene Dinge ausprobieren, Neues anstoßen und Impulse setzen.

Wenn ich die Gemeindelandschaft beobachte, dann nehme ich Veränderungen war. Sie sind auch nicht zu übersehen. Die großen Kirchen verlieren massenhaft Mitglieder. Insgesamt wird der Fachkräftemangel auch in unserer Branche größer. Viele Stellen bleiben unbesetzt.
Die Arbeit in den Gemeinden wird sich in den kommenden Jahren vermutlich stark verändern. Vielleicht wird es neue Modelle geben, die wir heute nur theoretisch denken können. Modelle von Gemeinde, von hauptamtlicher und ehrenamtlicher Mitarbeit.
Vermutlich müssen wir aber erst noch verstehen, dass wir in einer nachchristlichen Zeit leben. Das scheint in den verschiedenen Ebenen der Gemeinden noch nicht durchgedrungen zu sein. Mir geht es auch so. Ich weiß selbst noch nicht so richtig, was ich mit dieser Einsicht anfangen soll. Ich schreibe hier zwar darüber, aber ich bin noch nicht so ganz da.

Je früher wir es verstehen und Konsequenzen ziehen, desto besser werden wir auf die veränderten Gegebenheiten eingehen können. Damit meine ich allerdings nicht, sich zurück zu ziehen. Sondern wir müssen entdecken, an welchen Stellen wir investieren wollen.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht und freue mich mitgestalten zu können.